Ein ganzes Land in Trauer vereint
Meine Damen und Herren, dies ist ein sehr schwerer Tag. Ich bin wie Millionen von Menschen in Deutschland entsetzt, erschüttert und tieftraurig über das, was gestern Abend am Berliner Breitscheidplatz geschehen ist. Zwölf Menschen, die gestern noch unter uns waren, die sich auf Weihnachten freuten, Pläne für die Feiertage hatten ‑ sie sind nicht mehr unter uns. Eine grausame und letztlich unbegreifliche Tat hat ihnen das Leben geraubt. Mehr als 40 weitere Menschen sind verletzt, kämpfen um ihr Leben oder um ihre Gesundheit.
Ich denke in diesen Stunden zuallererst an diese Menschen, an die Toten und die Verletzten und an ihre Familien, Angehörige und Freunde. Ich möchte, dass sie wissen: Wir alle, ein ganzes Land, sind mit ihnen in tiefer Trauer vereint. Wir alle hoffen, und viele von uns beten für sie, dass sie Trost und Halt finden mögen, dass sie wieder gesund werden, dass sie weiterleben können nach diesem schrecklichen Schlag.
Ich denke an die Rettungskräfte, die Polizisten, die Feuerwehrleute, Ärzte und Sanitäter, die gestern Abend im Schatten der Gedächtniskirche Dienst an ihren Mitmenschen getan haben. Ich danke ihnen von Herzen für ihren schweren Einsatz.
Ich denke an die Ermittler. Ich habe großes Vertrauen zu den Männern und Frauen, die seit gestern Abend daran arbeiten, diese unselige Tat aufzuklären. Sie wird aufgeklärt werden ‑ in jedem Detail. Und sie wird bestraft werden, so hart es unsere Gesetze verlangen.
Noch wissen wir vieles über diese Tat nicht mit der nötigen Gewissheit. Aber wir müssen nach jetzigem Stand von einem terroristischen Anschlag ausgehen. Ich weiß, dass es für uns alle besonders schwer zu ertragen wäre, wenn sich bestätigen würde, dass ein Mensch diese Tat begangen hat, der in Deutschland um Schutz und Asyl gebeten hat. Dies wäre besonders widerwärtig gegenüber den vielen, vielen Deutschen, die tagtäglich in der Flüchtlingshilfe engagiert sind, und gegenüber den vielen Menschen, die unseren Schutz tatsächlich brauchen und die sich um Integration in unser Land bemühen.
Ich stehe in ständigem Kontakt mit dem Bundespräsidenten, mit Bundesinnenminister de Maizière und mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller. In einer halben Stunde wird das Sicherheitskabinett zusammentreten. Ich habe die zuständigen Minister und die Chefs der Sicherheitsbehörden eingeladen, um über den Stand der Erkenntnisse und über mögliche Konsequenzen, die sich daraus ergeben, zu beraten, und natürlich werden wir jederzeit, wenn notwendig, erneut zusammenkommen.
Zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister und dem Bundesinnenminister werde ich am Nachmittag zum Breitscheidplatz gehen, um dort, wie so viele andere Berliner, unsere Anteilnahme auszudrücken. Millionen von Menschen ‑ auch ich ‑ fragen sich heute Morgen: Wie können wir damit leben, dass beim unbeschwerten Bummel über einen Weihnachtsmarkt, also an einem Ort, an dem wir das Leben feiern, ein Mörder so vielen den Tod bringt?
Eine einfache Antwort darauf habe auch ich nicht. Ich weiß nur: Wir können nicht und wir wollen nicht damit leben, auf all das zu verzichten: auf die Weihnachtsmärkte, die schönen Stunden mit Familie und Freunden draußen auf unseren Plätzen. Wir wollen nicht damit leben, dass uns die Angst vor dem Bösen lähmt. Auch, wenn es in diesen Stunden schwerfällt: Wir werden die Kraft finden für das Leben, wie wir es in Deutschland leben wollen ‑ frei, miteinander und offen.
Ich danke Ihnen.
Dienstag, 20. Dezember 2016